Kurzgeschichte: Prometheus

Gerade zu Ostern beschäftigt mich wieder hinter all den blöden Ostereiern der wahre Kern des Christentums, die dunkle Stunde der Kreuzigung. Ich bin aufgewachsen mit Jesus am Kreuz, aber erst einige Varianten aus Animes (Neon Genesis: Evangelion) oder anderen popkulturellen Bezügen haben erst das Bild der Kreuzigung wirklich befremdlich auf mich wirken lassen. Dies hier ist nun ein schon älterer Text, den ich geschrieben habe, um Prometheus und Jesus als die gleiche Gestalt darzustellen. 

Interessanter Fakt: Zu Ehren des Prometheus wurde im alten Griechenland Dornenkronen aufgesetzt, um ihm sein Leiden abzunehmen. Jesus hat auch eine Dornenkrone tragen müssen. Und Prometheus heißt übersetzt Fackelträger, so wie Luzifer übersetzt tatsächlich Lichträger heißt. Erahnt jemand, dass ich drauf und dran bin Jesus über Prometheus mit Luzifer zu vereinen? 

Zur heiligen Dreieinigkeit der Revolte?



Als Prometheus das Feuer und die Kultur zu den Menschen brachte und entgegen dem Willen der Götter die Zivilisation auf Erden etablierte; als er für seine Menschenliebe //eine seltsame Zuneigung zu den Schwachen und Sterblichen// und seine Revolte gegen das Gebot der Götter gewaltsam der Freiheit beraubt wurde, indem er an die Felsen des weiten kaukasischen Gebirgslandes gekettet wurde; als der Adler zu ihm geschickt wurde, um ihm die unendlichen Qualen des Fleisches zu lehren, die das Tier auf Geheiß des Tyrannen durch das Auffressen der immer wieder nachwachsenden Leber hervorbrachte; als all diese schrecklichen Dinge dem Fackelträger widerfuhren, konnte sich kein Mensch, kein Engel und nicht mal ein Gott vorstellen, dass Prometheus durch die Äonen lange stoischen, wenn auch vom Wahnsinn der Zeit motivierten Meditationen, die er im Stillen zwischen den Gastmahlen des geflügelten Strafvollziehers geführt hatte, die Fähigkeiten seines Titanen-Ursprungs zu übersteigen lernte und sein Selbst auf geheimnisvolle Art und Weise immens fortentwickeln konnte, sodass er Fähigkeiten erlangte, die jedem Menschen, jedem Engel und selbst den Göttern völlig fremd gewesen wären – hätten sie je davon erfahren. Prometheus musste unter der großen Hitze der Gebirgssonne sein Entität gegen die Natur seiner Bestrafung abschirmen, er musste, als geheim operierende Revolte gegen die Ontologie, in seinem eigenen Untergrund, dem Unbewusstsein, eine Macht entwickeln, die über die Grenzen des Seins hinauswirken.
Die Götter haben Prometheus bestraft, weil er sich ihnen widersetzte, aber nicht nur weil er deren Autorität untergraben hatte, sondern weil er dem Menschen eine Waffe in die Hand gab, die früher oder später gegen die Götter gerichtet werden konnte und wurde. Und auch gegen Prometheus selbst, was diesem jedoch schon von Anfang an klar gewesen war. Er wollte den Menschen fördern und gegen die Willkür des göttlichen Bewusstseins schützen, er empfand die tiefste Sympathie für ihre Sterblichkeit und etwas, das den Göttern oder Titanen völlig fremd war. Denn im Gegensatz zu diesen, welche nur die geschlechtliche Liebe und die Unsterblichkeit kannten, erschufen die Menschen in Anbetracht des Todes eine neue Form der Liebe, geheimnisvoll und mächtig. Die Götter, die keine Geheimnisse kannten, fühlten sich im Angesicht dieses Phänomens machtlos und stießen es als etwas völlig Fremdes ab, sie fühlten sich bedroht. Doch schnell erkannten sie diese neue Form der Liebe, auch wenn sie es nicht durchdrangen, als Mittel der Manipulation. Sie nutzen es, indem sie die Menschen dadurch noch viel intensiver an sich zu binden wussten, da er als einziges Wesen der sexuellen Begierde und gleichzeitig als fleischliche und seelische Nahrung den Göttern Tribut zollen konnte. Prometheus beobachtete; er beobachtete und verstand in all seiner Güte schnell, dass es ein unerklärliches Wunder war, dass die Sterblichen etwas Machtvolleres als die Entität der Götter erschaffen konnten. Die Menschen haben sich somit das Recht geholt, frei von den Gesetzen jener zu leben. Sie besaßen die Möglichkeiten zu Unvorstellbaren, doch einem rohen Diamanten gleich fehlte ihnen der entscheidende Schliff. Prometheus fühlte die Angst der Götter vor den Menschen und fand das Verbot der Kultur für nicht gerechtfertigt, es war ein Vergreifen am objektiven Zufall, was sich ihrer Allmacht entzog. So kam es, dass er sich dem Diktum widersetzte und den Menschen das Feuer und somit die Kultur brachte.
Jeden Tag zur selben Zeit strafen ihn nun die scharfen Krallen und der unbarmherzig hackende Schnabel des Engels Ethon in seiner Adler-Gestalt, bis Prometheus’ Gedärme freiliegen und ihm die Leber auf offenem Tablett entrissen wird, aber nur so viel, dass ein Stück zum erneutem Wachstum übrig bleibt. Sobald die Leber weg ist und Ethon sich satt gefressen hat, verheilt die Wunde unter selben Schmerzen wie auch die Leber so gewaltsam nachwächst, wie sie zerfetzt wurde. Der Engel sollte nie wieder Hunger leiden, und glücklicher Weise für ihn war er gegen den Fluch der Wiederholung immun: Niemals empfand er Ekel dabei, immer wieder dieselbe Leber des Titanen zu fressen, Tag für Tag, in Äonen-Länge.
Nun zwischen diesen Tangenten des Engels und des Titans hat dieser einen Weg gefunden, trotz der tyrannischen Unfreiheit, mit der er gebannt wurde, seinen Einfluss auf die Menschen erneut zu entflammen. Während der Äonen, die bereits währten, hat er diese neue geistige und physische Macht entwickelt, ohne geistig und physisch zu agieren. Der Gefangene drang nun das erste Mal in die Welt ein. Prometheus hat die Ebenen getauscht, er hat die Naturgesetze der Götter gebrochen und vielleicht sogar die metaphysischen Gesetze, denen sie wiederum verfangen sind. Er kehrte in der Gestalt eines leiblichen Mannes auf die Welt zurück, um sich die menschliche Situation hinzugeben – das einzige Mal, dass er dies tat. Als Jesus betrat er die Welt, doch der Mensch, den er sich erhofft hatte zu sehen, war nicht. Immer noch dieses wilde Tier geblieben, hat der Mensch sich selbst in Arroganz und Eitelkeit überhöht. Er ist grausam geworden, wofür aber die Götter nicht im vollen Maße verantwortlich sind, auch wenn sie den ersten Stein geworfen haben. Denn wie in allem Guten auch der Keim des Bösen steckt, um das Gleichgewicht zu halten, hat sich die Grausamkeit wie ein Krebsgeschwür ausgebreitet. Engel sind von Natur aus grausamer, das wusste Prometheus, aber die Menschen folgten ihrem verzerrten Bild und hatten die Macht, alles zu übersteigen. Und an vielen Stellen zogen sich bereits die Risse in ihrer Welt auf, in denen sie selbst die Engel fraßen. Ein Engel ist nur in dem Maßen grausam, wie es um seine Grundbedürfnisse steht: Töten des Blutes und Sex der Vermehrung wegen. Sie sind erhabene Wesen, die im Schatten leben und mit ihren funkelnden, weit aufgerissenen Augen das Treiben der Welt verfolgen. Sie sind nicht verblendet, was das Außen sowie das Innen angeht. Engel sind Jäger und Raubtier, erbarmungslos und doch erhaben. Und ihre Augen, oh ihre Augen…

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