#highestlevelquestions: Die Ungebürtlichen


»Wenn wir von Unsterblichen reden, könnte es dann auch die Ungebürtlichen geben?«



Die Unsterblichen zeichnen sich dadurch aus, dass sie irgendwann geboren wurden – aber nicht sterben können. Sie müssen, einmal auf die Welt geworfen, in aller Ewigkeit auf dieser wandeln, doch ihr Status als Geborene gibt ihnen eine Basis für Identität, Abstammung, kulturelle Zugehörigkeit, Menschlichkeit und die Erfahrung, eine Mutter zu haben. Ihnen wird jedoch ihr Sein zum Tode vorenthalten: Das ist der Seinszustand, in dem sich die Menschen als Bewohner dieser Welt befinden. Nach ihrer Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit hinterfragen sie den Sinn ihres Lebens und entwerfen/ designen ihre eigenes Dasein – oder verdrängen den Gedanken und verfallen in die Durchschnittlichkeit. Was machen Unsterbliche dann, so ohne Sein zum Tode?

Die Idee der Ungebürtlichen kam mir bei Auseinandersetzung mit dem Begriff der Gebürtlichkeit: Im Gegensatz zu Heideggers Sein zum Tode (oder seinem Begriff von Geborensein, der Geworfenheit) stammt der Mensch nicht von irgendwoher, sondern steht bereits von Anfang an in Beziehungen zu anderen – wie Mutter, Vater, Gesellschaft, Vorfahren, sogar möglichen Nachfahren. Der Geborene wird von Anfang an als ein Teil der Menschheit verstanden, er besitzt somit Identität, Abstammung, Heimat. Was jedoch macht einer, der nie explizit geboren wurde, sondern schon immer exisitert hat? Seine Unendlichkeit bezieht sich auf die Vergangenheit, und nicht auf die Zukunft wie beim Unsterblichen.

Interessanter Weise bereitet uns die Vorstellung eines Ungebürtlichen viel mehr Kopfschmerzen als es schon Unsterbliche tun. Die Legenden und Mythen sind voll von Anekdoten über Unsterbliche: Egal ob es die Titanen der griechischen Sagen sind wie Prometheus und Sysiphos, der biblische Jesus Christus oder modernere Figuren wie Highlander oder Vampire (die wiederum als Untote eine andere Rolle in diesem philosophischen Theater spielen). Doch von Ungebürtlichen ist mir noch nie etwas untergekommen. Vielleicht trifft die Ungebürtlichkeit auf Gott zu oder das Universum, jedoch hat sie auch die Unsterblichkeit – sie sind absolut Ewige. Bei den Ungebürtlichen meine ich jedoch einfach Menschen, die schon immer da waren, aber sehr wohl verschwinden können. Vor allem müssen diese eine größere Angst vor dem Tod haben als die Menschen, denn ihr Sein zum Tode ist das einzige, was ihnen bleibt. Daran konstituiert sich ihr ganzes Dasein. Vor allem kann es nur eine begrenzte Anzahl Ungebürtlicher geben, da ja keine Neuen dazukommen können – das Fehlen von Generativität.

Wie es aussieht, haben wir einfach vergessen, dass es Ungebürtliche in den Mythen und Legenden der Menschheit gegeben hat, denn sie sind wie eine Idee, Sprache oder biologische Art einfach ausgestorben. Und zwar früh genug, als dass wir uns nicht mehr an sie erinnern können. Aber wir können auf sie schließen, und das ist es, was ich gerade getan habe.

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