Neuro//Musik


Ein Surren und Ticken, die Unruhe von Epileptikern, dann wieder die breite ätherische Klanglandschaft. Es ist ein Schock, dass der Schritt doch viel näher ist, als ich es mir gedacht habe. Sofort wünschte ich mir in einer Firma zu arbeiten, die als Vorreiter solch Technologien zu entwickeln versucht, um der Kreativität und dem Geist wie die Jedi zu dienen. Neuro-Musik, also Musik generiert aus den Messungen von Hirnströmen (EEG), ist längst möglich. Noch in einer sehr groben Form, nämlich nur als Klangteppiche wie die Ursuppe, ohne die Komplexität von Musik, wie sie durch Melodie, Rhythmus und Harmonie zu Stande kommt - aber der erste Schritt ist getan. Seit langem schwirrt mir ein besonderes Projekt im Kopf, das vielleicht nie seine Vollendung finden wird, aber ein Science-Fiction-Roman werden könnte, wo eines der Hauptmotive eben diese Form von Musik ist. Ein Ausschnitt dieses Fragments, das ich geschrieben habe, lange bevor ich den mich gerade mächtig feucht machenden Artikel von The Creators Project gelesen und vor allem gehört habe, stelle ich hier bereit.
Meine Vorstellung von Neuro-Musik, die ich hier als oneirale Musik beschrieben habe (um das Modewort "Neuro" zu entgehen), ist wie beschrieben von noch viel höherer Komplexität, sodass die Musik für unsere Ohren quasi nicht nachvollziehbar wäre, weil sie bis heute NOCH NIE gehört wurde und damit die neuronale Erfahrung fehlt - sozusagen, wie das seltsame Glasperlenspiel von Hermann Hesse, oder wie unverständlich und nicht nachvollziehbar unsere zeitgemäße gute alte Electronic Dance Music für die die Gregorianischen Priestersänger klingen müsste, würde sich ein Riss in Raum und Zeit auftun und etwas vom Dröhnen der Neuzeit in ihre Kirchen reinschallen.
Zu guter Letzt würde ich aber empfehlen, sich das auch visuell sehr geschickt komponierte futuristische Werk von Lisa Park anzusehen, wie sie das neuronale Musikstück "Eunoia" performt. Da werden sogar grobe Beats geschaffen, die im Ansatz verdammt vielversprechend und geil klingen. Als zweites favorisiertes Beispiel sehe ich diesen Ansatz von Lora Fay. Und für Mediziner als auch Surrealisten könnte diese Arbeit interessant sein, nicht umbedingt wegen seiner musikalischen Qualität, aber wegen der Bedeutung, die damit verbunden ist, wenn "die Hirnaktivitäten von Patienten mit Anfällen in eine musikalische Komposition umgewandelt" werden - Stanford scientists turn seizures into music.


Die «oneiRRic», allgemein als die oneire Musik bekannt, ist der metaphysische Balsam unserer Zeit. Vor dem «sky.fall» haben die Ahnen die Oneiretik entwickelt: Träume wurden für physikalische Projektionen erlebbar gemacht. Heutzutage wird sie allen voran als musikalische Ausgabe genutzt. Es ist immer mehr, als was wir wahrnehmen können. Entweder musste es damals mit der größten Wertschätzung von ebenso kultureller Bedeutung gewesen sein, wie es heute der Fall ist – oder es war etwas Alltägliches, das die Ahnen zu ihren Grundbedürfnissen wie Fortbewegung und Unterhaltung zählten. Auf jeden Fall, welche Version auch immer zugetroffen hat, wurden zahlreiche Gebäude für oneire Konzerte designt und konstruiert, in denen die Technologie ihre volle Auslenkung ermöglichen konnte.

Sie wurden Hallen der Träume genannt.

In  den Hallen der Träume findet dieser geheime Zauber der oneiren Musik statt, die Klänge gebogener Innenwelten wallen daraufhin im Glanz dunkler Räume umher, sie wogen, sie krachen, sie erfüllen und brechen, sie umarmen den Leibgeist und geben ihm seine wahre Bedeutung, nämlich als Beschwörungsmittel, zurück. Diese Übertragung der Traumkreationen in die akustischen Symbole der Musik wird Projektion genannt, und ebendiese Projektion ist ein Geheimnis von der Tragweite einer eigenen Mythologie. Nach dem «sky.fall» sind die Hallen der Träume weder reproduzierbar noch in ihrer eigentlichen Anwendung nachvollziehbar geblieben. Durch irgendein Wunder können wir dennoch Gebrauch von ihr machen und das eröffnet unserer heutigen Zivilisation die Metaphysik dieser Kunst, ihren Genuss, »ein Geschenk der Ahnen!«, wie viele dann verkünden. Wer ein Oneiriker, Musiker des Traumes, ist, genießt hohes Ansehen innerhalb der Bevölkerung, besonders in Shanghai, wo auffällig viele Hallen der Träume zu stehen scheinen. Das hohe Ansehen hing aber vor allem damit zusammen, dass alle Oneiriker bisher nur aus privilegierten und elitären Kreisen der Oberstadt entstammen.
Da setzt die Revolte Repuns ein.
Er hat es gewagt, Träume zu projizieren, die an Aggression und Dunkelheit vollkommen mit dem klassischen Mustern kollidieren, die aufgrund der metaphysischen Bedeutung dieser Technologie stilbildend wurde. Er hat eine neue Musik der Revolte definiert, einen Aufschrei gegen die Lügen unserer Zeit. Und kurz davor lernte ich ihn kennen. Was mich mit ihm gerissen hat.


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