DEXTER: Der Dunkle Begleiter

Es ist seltsam, einen Mörder zu lieben. Vor allem, wenn es um den Albtraum eines jeden Menschen geht, den wir uns nur in Filmen und Romanen im Rahmen der Imagination nähern können. Sie tragen Namen wie JACK THE RIPPER, HANNIBAL oder JOHN DOE (bekannt aus David Finchers SEVEN). 2006 hat Showtime einen neuen Charakter ins Leben gerufen, den wir als Zuschauer von der ersten Stunde an mit gebeugter und ängstlicher Haltung lieb gewonnen haben. Das müssen wir uns mal bewusst machen: Der Protagonist ist ein psychopathischer Serienmörder, der unter der Maske der Menschlichkeit und dem Deckmantel der polizeilichen Arbeit seinen Tötungstrieben Folge leistet, niemals ohne dabei einen Creepschauer und gleichzeitig Witz & Amusement bei uns Zuschauern zu hinterlassen. Wir gehen sogar so weit, uns um ihn zu sorgen und auf seiner Seite zu stehen. Natürlich ist er die bessere Wahl, als ein Soziopath, der unschuldige Menschen ermordet. Er ist kein Tier, das tötet, um zu überleben, sondern er spiegelt das wider, wovor wir als Menschen uns am meisten fürchten - und am ehesten beherrschen wollen. Schlichtweg, das Irrationale des Tötens.

DEXTER MORGAN.


Der Trick bei dieser zuerst sehr typisch anmutenden Krimi-Serie ist sein Code. Der Wunsch der Menschheit, das zu eliminieren, was uns am meisten Angst macht, wird doppelt befriedigt: Dexter tötet nur andere Serienkiller, so hat es ihm sein Adoptiv-Vater HENRY MORGAN beigebracht. Dieser hat Menschlichkeit und Tragödie in dem kleinen Jungen gesehen, und da er als Idealist auch zugleich die Ungerechtigkeit dieser Welt nicht akzeptieren wollte, hat er Mitgefühl und Pragmatik in Dexter vereint. Kein wahres Mitgefühl, aber eine Geisteshaltung, ein Ehrenkodex, einen außergewöhnlichen Sinn für Bedeutung, welcher auch in unserer Realität Männer und Frauen in Kriege, Krankenhäuser und Krisengebiete treibt. Mit den verlaufenden Staffeln wurde dieser Serienkiller Dexter domestizierter, menschlicher, existenziell freier.

Es sind nun gute vier oder fünf Jahre her, seit ich angefangen habe, DEXTER zu schauen. Die ersten drei Staffel habe ich noch auf Deutsch gesehen; dann kam die vierte Staffel brandneu in den USA und diese zwang mich, Serien seitdem auf Englisch zu schauen. Meiner Natur nach beließ ich es nicht dabei, diese Serie einfach nur zu Unterhaltungs- und Spannungszwecken zu schauen, weil das alltägliche Leben ja so langweilig und unbedeutend ist. Die Serie zwang mich, mir darüber im Klaren zu sein, was ich da irgendwie befürworte und wem meine Sympathien eigentlich gelten. Dies ist die erste Form von Tiefsinn: das unmittelbare Gefühl, der Instinkt, der tief in meine Vorstellungen von Menschlichkeit einschneidet. Die Serie zeigt neben ihrer Kraft, die inneren Gefühle aufzuwühlen,  auch äußere, symbolische Strukturen, die sich von Staffel zu Staffel weiterentwickelt haben und der Serie bis zum Schluss ihre Originalität gaben. Soweit der Main Plot.

SPOILER-Hinweis #1

Dies ist der erste Hinweis, weil ich hier im Begriff bin, die bisherige Entwicklung von Season 1 bis 8 kurz in meinen Worten nachzuzeichnen. Hinweis #2 folgt dann zum Ende hin und meiner Beurteilung des endgültigen Ausgangs dieser Geschichte.


DEXTER Season 1 - Wer bin ich - und bin ich allein? -

ist die Exposition. Miami ist Schauplatz, ein paradisisch warmer, kubanisch geprägter Ort. Selbst der Soundtrack findet es nicht zu schade, neben den düsteren Klängen und der satirisch-bösen Titelmelodie die Lebensfreude dieses Ortes mit Bossa Nova und Tango-Musik zu untermalen. So höre ich jetzt diese eher sommerliche Musik in Tagen des Herbstes und dem melancholischen Ende der Serie. Was haben wir noch? Einen blood splatter analyst des Miami Metro Police Departement, der in einer neuen krankhaft kunstvollen Gestaltung von Mordserien an Frauen, die er zu ermitteln helfen muss, einen sogenannten Endgegner trifft - der sich am Ende als sein buchstäblicher Blutsbruder BRIAN MOSER entpuppt, in der Serie bekannt als der "Ice Truck Killer".
Serial Killer #1: Ice Truck Killer BRIAN MOSER
Dexter wird also kurz nach der Exposition seines Charakters im ersten tiefschürfenden Einschnitt seines bisher eher ruhig verlaufenden Lebens gestürzt. Er muss sich mit seiner Vergangenheit, an die er kaum Erinnerungen trägt, welche ihn aber immens geprägt haben, auseinandersetzen. Und letztlich, trotz des vereinenden Schicksals seines Bruders und ihm, eine moralische Frage entscheiden: Gibt er den Code seines Adoptiv-Vaters Harry auf und zerschneidet sein gefühls-äquivalentes Band zu seiner Schwester DEBRA MORGAN mit einem Mord an ihr, um gemeinsam mit seinem Bruder seiner dunklen Seite komplett die Macht zu überlassen? Nein, wie wir bereits lange wissen, tötet er eigenhändig seinen Bruder und entscheidet sich für das bisherige maskenhafte Leben, das dennoch in Form von Familie und Beziehungen irgendwie Bestand hatte. Ich habe es bereits genannt: Was wir neben der zweifelhaften Moral auf der einen Seite,  der überraschend vernünftigen Gefühlsregung (was hier bewusst widersprüchlich klingen soll) gegenüber Dexters Schwester zum anderen, und der Bedeutung von Vergangenheit und Prägung haben, ist die Maske, die ein Mensch trägt, um seine dunkle Seite, seinen DUNKLEN BEGLEITER vor den anderen geheim und fern zu halten. In Dexter geht es in meinen Augen vorrangig um die dunkle Seite im Menschen, die jeder hat und vor der sich jeder fürchtet. Und wie wir sie vor den anderen verbergen wollen. Das wird sich in den nächsten Staffeln durchziehen.


DEXTER Season 2 - Kann mich jemand als das akzeptieren, was ich wirklich bin - ein Monster? -

Serial Killer #2: LILA WEST
ist die eher schwächste Staffel, wie ich mich im Nachhinein erinnern kann. Sie ist durchaus spannend, ist immerhin DEXTER selbst der von der Polizei gesuchte Serienkiller dieser Staffel (der offizielle Name: BAY HARBOR BUTCHER), der gegen sich selbst ermitteln muss, ohne dass seine Kollegen und Freunde davon eine Ahnung haben. Besonders dramatisch wird es, als einer der Detectives, bekannt als SGT. JAMES DOAKES, Dexters Geheimnis aufdeckt, aber eliminiert wird, bevor die Serie mit unserem Anti-Helden am Elektrischen Stuhl sein schnelles, eher unzufrieden stellendes Ende nehmen kann. Doch der eigentliche Feind dieser Staffel ist eine pyromanische Frau namens LILA WEST, die irgendwo in Dexter seine dunkle Seite erkannt und akzeptiert hat, er fühlt sich verstanden von ihr und lässt sich mit einer Bindung zu ihr auf ein Experiment ein, doch können ein Psychpath und eine Psychopathin eine Liebe eingehen? Lilas Temperament war das des Feuers, und damit drohte sie, Dexters Leben und das seiner spekulativen Geliebten (seine Schwester, "Freunde" von der Arbeit und sein "girl-friend" RITA) zu verschlucken. Und so entschied sich auch diesmal wieder Dexter für sein Leben hinter der Maske und gegen das Feuer.


DEXTER Season 3 - Ich kann Leben nehmen. Kann ich es auch geben? -

Serial Killer #3: MIGUEL PRADO
ist meiner Erinnerung nach etwas unspannend gewesen, fast ein kritischer Punkt in der gesamten Serie, aber dann gegen Ende der Staffel doch recht faszinierend und mitreißend. Dexter wird zum Schöpfer - er zeugt Leben dort, wo er doch eigentlich der Tod ist. Zum einen wird das in der Zeugung von Dexters Sohn HARRISON symbolisiert, zum anderen in der Verwandlung von MIGUEL PRADO vom angesehenen Anwalt in den machthungrigen Killer, dessen geistiger Vater Dexter ist. War es ein Versuch von Dexter, eine Art Komplizen zu erschaffen, mit dem er zusammen töten kann? Sollte Miguel Prado, der Dexter dazu drang, sich ihm zu öffnen und ihn einzuweisen in die "Kunst des Tötens", sein geistiger Bruder werden? Am Ende war auch das eine Fehlentscheidung, Prado war zwar getrieben von Gerechtigkeitssinn, aber noch stärker war sein Machthunger, welche dem Code entgegen wirkte. Und so war auch dieses Experiment wie Lila zum Scheitern verurteilt. Doch es lies der ganzen Geschichte einen Schritt näher kommen: Wo Lila die dunkle Seite Dexters nur erahnte, war Miguel direkt eingeführt worden. Auch wenn es für diesen letztlich nicht gut endete.


DEXTER Season 4 - Kann ich als Serienmörder ein guter Vater sein - und ein normales Familienleben führen? -

ist defintiv einer der wichtigsten Wendepunkte der gesamten Serie. Es ist wohlmöglich die furchterregendste Staffel mit dem schockierendsten Ende der gesamten Serie und hat mich noch Wochen danach verfolgt (ich musste ja nun auf Staffel 5 ein Jahr warten). Im Zentrum steht Dexter als Familienvater und Ehemann (Wer hätte das gedacht!?), als er Rita geheiratet hat und sein Sohn bereits geboren war. Doch Dexter ist überfordert: ein Baby hüten, zwei Stief-Kinder erziehen, seiner Frau ein falsches Leben vorspielen, während sein Tötungsdrang ihn bei Nacht wach hält? Es erscheint beizeiten unmöglich und treibt ihn für den Zuschauer mitfühlend in unangenehme Erklärungsnot. Doch dann trifft Dexter auf den sogenannten "Trinity Killer" ARTHUR MITCHELL - ein Serienmörder, der scheinbar ein perfektes bürgerliches Familienleben führt. Seine drei Tötungsrituale, welche eine Etappe darstellen, wirken besonders bedrohlich, gewalttätig und verstörend: zum einen mit seinem weiblichen Opfer baden und ihr dann am Ende die Pulsadern aufzuschneiden, zum zweiten mit dem Hammer einen Mann den Kopf einzuschlagen, und zum dritten ein Kind unter ein Haus lebendig zu begraben oder sogar einzumauern. Doch noch verstörender ist die Zahl seiner Opfer, die über dem ganzen US amerikanischen Land verstreut sind und sogar Dexter in den Schatten zu stellen scheint. Kein Wunder, dass Dexter zum einen aufgegeilt wegen dieses perfekten Opfers für seinen Tisch, als auch bewundernd für die Fähigkeit Mitchells, durch all die Anstrengungen hindurch ein scheinbar funktionierendes Familienleben zu führen, sich ihm nähert und ihn zu einer Art Mentor machen will. Bis sich dann herausstellt, dass dieses Familienleben auf Kosten der Menschen, die ihm wichtig sein sollten, sein Deckmantel sind und er bereit ist, auch diese für seinen Tötungsdrang zu opfern. Dexter erkennt langsam, dass er anders ist als andere Psychopathen. Nach der anfänglichen Bewunderung für "Trinity" ist es die entlarvte Lüge, die bei Mitchell noch viel schlimmer ist als bei Dexter. Daher landet jener tatsächlich am Ende auf Dexters Tisch, in Plastik gebunden. Dabei verbleibt es jedoch nicht, denn der Trinity-Killer wird zu einem Dämon: Bisher war Dexter seinen Gegnern immer einen Schritt voraus, doch Arthur Mitchell hat kurz vor seinem Ableben Dexter verflucht, indem er seine Ehefrau Rita noch vorher im Badezimmer, in Dexters Haus getötet hat...
Dieser Schock, das Bild, auch von seinem Sohn Harrison im Blut der Mutter, wie Dexter damals selbst im Blut der von einer Kettensäge zerteilten Mutter, ist grauenerregend. Noch schlimmer ist der Albtraum der Vorstellung und Schlussfolgerung... dass Rita vorher genau dieselbe grauenvolle seelische Folter erleiden musste, mit Arthur Mitchell zu baden und um ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder zu fürchten. Dies leitet die dunkle Zeit für Dexter ein, die ihn Stück für Stück zu einem tragischen Ende bringen wird. 

Serial Killer #4: Trinity-Killer ARTHUR MITCHELL


Weiteres zu den Staffeln 5,6,7 und 8 sowie zum Ende HIER.

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