BangkoksuRRealist

Wenn es ein Film gibt, der authentisch das Lebensgefühl des Reisens vermittelt, dann ist es STAR WARS. Genau so empfinde ich meine Situation: gestrandet auf einem fremden Planeten. Und doch ist es eine freudige Heimkehr. Der Flug über Abu Dhabi glänzt ebenso mit den altbekannten Impressionen, die mich aber erneut aufgeregt stimmen wie das Warten auf Episode VII. In lange, schwarze Burka gehüllte Frauen,  die zwischen travelnden Westlern und modischen Asiaten, und dazu meistens hinter ihren weiß gekleideten arabischen Gatten, im Hintergrund einer klimatisierten Sci-Fi-Atmosphäre entlang schweben. Eine Muslima war statt mit einem Schleier vor dem Mund mit einer Art goldenen Schmuck verhüllt,  das wie eine Brosche vor ihrem Gesicht eine extravagant erscheinende Variation des Burka-Standards bot. Bereits im höheren Alter schritt sie mit einer seltsamen Ausstrahlung wie die blauhäutige Diva Plavalaguna aus Luc Bessons Das Fünfte Element. Später in Bangkok sollte ich noch zwei dieser Exemplare mit einer goldenen schnabelartigen Maske vor dem Gesicht zu Augen bekommen, die sich jedoch mit unglaublichen Kitsch im MBK Center (dem Aushängeshopping-Center Bangkoks) über den Tisch ziehen ließen.
Aber die Thais sind ebenso seltsam. Die Sprache und ihre anscheinende Physiognomie kann anscheinend nur in Kombination mit einer fürchterlich quackenden und qietschigen Stimme einhergehen, die mich manchmal allzu stark in ihren Lauten an die Ewoks oder die Jawas aus dem Star Wars-Universum erinnert.
In Anbetracht der Wirkung frage ich mich dann, wie all die Westler auffallen müssen,  die mit ihren Flip-Flops und den bleichen behaarten Beinen, schulterfrei und unangenehm nach Mosquito-Schutz riechend auch in den schmalen aber scharfen Augen der Thai nicht umbedingt hochentwickelt scheinen, mehr noch als eine hedonistische Vieh-Herde, die leicht auszubeuten ist. Die Thai-Männer, die stehts lange Hosen tragen und die Thai-Frauen, die nur in wenigen Fällen viel Haut an freien Schultern zeigen, werden uns für Barbaren halten können - und das verübel ich ihnen nicht.
Das Reisen ist also eine Erfahrung von Krisen, Glücksgefühlen und der langsamen Adaption der Kultur um einen herum. Es ist nun die Mitte der zweiten Hälfte unserer Reise. Diese Sätze bilden sich auf der Fähre nach Koh Phi Phi, die durch The Beach berühmt-berüchtigt geworden ist. Vorher blieb keine Zeit neben all den Wundern, Depressionen und Naschereien für einen fertigen Satz, aber ich habe mindestens für ein Dutzend Blogs erlebt,  die ich hier nach und nach, auch notfalls nach der Reise beisteuern kann. Das Surreale, aber auch das Profane lässt sich gut zusammentragen, möglicherweise auch den ein oder anderen Reisetipp für andere Thailand-Reisende geben, die dem individuellen Reisen das Abenteuer (und nicht so ein Kücknitz-Abenteuer!) zurückgeben und etwas erleichternd und genießbarer machen wollen. Im Vorfeld habe ich schon angekündigt,  dass es mir nicht um stupides Sightseeing geht,  mir waren die meisten Paläste und Tempel egal. Dafür habe ich das Kuriose angesteuert und bin nicht enttäuscht worden.
Wie ist es nun, BangkoksuRRealist zu sein? Die Stadt ist ebenso dystopisch unkoordiniert, aber sensationell individuell geprägt wie die meisten anderen asiatischen Metropolen. Gerüche, schwüle Hitze, Herden-Chaos - aber kein Wolkekratzer gleicht dem anderen, moderne Transportmöglichkeiten wie der Skytrain oder die Metro ermöglichen komfortables Umherfahren. Ein Seven-Eleven an jeder noch so unwirtschaftlichen Entfernung zueinander  bietet 24h lang kalte japanische Softdrinks und Snacks der weirdesten Art. Streetfood bietet für den kleinen Hunger mehr Genuss für weniger Geld als jede übertrieben schwere Dönermahlzeit Deutschlands als Alternative zu schnellem günstigen Essen von McDonalds. Wiederum, wenn der Tag unter der Last der Dunkelheit kollabiert, wachsen aus den schwarzen Ecken, wo Pflanzen die Bröckchen Asphalt-Kultur durchstoßen, frei umher laufende Kakerlaken und fette Ratten heraus, die einen den Weg kreuzen. Und doch, trotz all der Widersprüche oder gerade deswegen,  mag ich all das, es ist wie das Hören der neue Platte meines Lieblingsmusikers, eine Variation von Leben und Tod und tausenden Details. Soweit, mit all den versteckten Schätzen,  die sich Schicht für Schicht von der Realität abziehen lassen,  kann ich sagen: 

Ich bin der BangkoksuRRealist.

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