VII



"...und dann der Kampf, so schön wie diese Lichtschwerter rot und blau da im nächtlichen Winterwald schimmern, es geht richtig ab, keine langweiligen oder übertrieben akrobatischen Laser-Schwert-Duelle wie in den anderen sechs Episoden, sondern richtig mit Schmackes hauen die drauf!"

So wie Kylo Ren den Schädel seines Großvaters Darth Vader in der Hand hält und im Monolog vom "Sein oder Nicht-Sein" spricht, komm' ich mir mittlerweile selber wie ein gepeinigter Prinz vor, dem seine Gedanken zu jeder Zeit - in der Bahn, beim Duschen, beim Autofahren - nur an einem hängen: THE FORCE AWAKENS. Ja, die Macht zur Obsession ist immer stark in meiner Familie gewesen, und sie ist gewiss erwacht, diesmal in Form eines liquiden Gleitens zwischen dem kindlichen Sith-Lord Anakin in mir und dem vermeintlich erwachsenen Jedi-Ritter Luke, den ich nach Außen gebe. Etwas monoton mag es sein, das gebe ich gern zu, wobei sich diese ritterlichen Gefühle auch auf das Politische übertragen, in der ich Europa (die Republik) und mein Polen (Demokratie und Freiheit) vor der dunklen Bedrohung schützen möchte, die leise creepend die Risse flutet.
Wie schreibe ich am besten ein Review, das mehr als eines ist; dass objektiv den Film betrachtet, und gleichzeitig fast nahezu fanatisch den Mythos verteidigt und interpretiert.

Wer denkt, ich schreibe eh nur von meinen ersten Eindrücken, dem kann ich entgegnen: Nein, mittlerweile habe ich den Film tatsächlich dreimal im Kino gesehen, immer auch mit unterschiedlichen Leuten, unterschiedliche Meinungen dazu gehört, unterschiedliche andere Stellungnahmen zum Film gelesen und mit einer eigenen Kreativität die Lücken ausgefüllt und das Modell zusammen geklebt. Derzeit inhaliere ich STAR WARS, aber immer mit der gesunden ironischen Distanz eines Han Solo, oder Poe Damerons (dem Nachfolger des Solo-Skeptizismus). Ich werde daher nicht davon weichen, auch auf Spoiler sprechen zu kommen.

Komme wir zu den Details....
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Die Zeilen sollten reichen.

"Vroom Vroom!"
Jetzt will ich erst einmal begreiflich machen, worum es mir und THE FORCE AWAKENS überhaupt geht. Der Film ist wie versprochen von JJ Abrams durch ein Instagram-Filter gezogen - aber anstatt die Klonkriege-Trilogie zum Teufel zu scheren, wird ihre Errungenschaft mit dem Originalprodukt STAR WARS in Einklang gebracht. Ja, es hat einen Retro-Vibe, und wir haben fast schon vergessen, wie praktische Effekte und echte Locations eine physische Welt im Film besonders greifbar und fühlbar machen lassen. Die Retro-Orientierung ist in diesem Punkt siegessicher. Doch vermehrt wurde die Kritik geäußert, dass wir in einer Remix-Kultur der unseren auch kaum noch originelle Ideen verwirklichen können: Vieles in THE FORCE AWAKENS birgt unangenehme Déjavu-Erlebnisse, wir haben sie doch schon mal gesehen, war es Episode IV oder Episode V? Ach, nein, beides? Unabhängig von der Kritik ist den wenigsten bewusst, dass STAR WARS immer in einem gewissen Reimschema von Story, Schnitt und Bild poetisch gedacht und produziert wurde. Nun, musste diese noch mächtigere Waffe nach dem eh schon viel zu mächtigeren Todesstern aus Episode VI, die jetzt die Starkiller-Base heißt und genau das macht, was ihr Name bedeutet - Sterne zerstören -, doch noch auftauchen (und fun facter Weise damit einen alternativen Namen für Luke - öhm - ...Starkiller des ersten Films recyclen)? Und ein ähnliches Schicksal erleiden? Jeder meint ein Kritiker zu sein und das Offenbarste als größte und missbilligendste Entdeckung an den Pranger stellen zu können.

Meine Meinung dazu: Fuck that.

Humor im STAR WARS-Universum ging für die Generation nach mir irgendwo im digitalen Dunst verloren: Jar Jar Binks war zu albern, Anakin war zu verbittert, Politik war zu verwirrend, und sowieso war doch nur Obi-Wan der einzige wirklich schmunzelnde Charakter in den Klonkriegen. Dabei waren die ersten Filme so viel humorvoller, wenn auch subtiler als in THE FORCE AWAKENS. Tatsächlich drückt VII öfter auf den roten Fun-Button, aber der Witz versteckt sich nicht, sondern ist frei und lustig, und manchmal so, wie er von Woody Allen sein könnte.
BB-8, der kleine orangene Sphärobot, das süßeste "Ding" seit R2-D2 im Jahr 1977 zur Welt kam.
Han Solo, der nicht nur seinen Charm nie verlor, sondern auch seine flotten Sprüche genauso Revolverheld-artig schießen kann.
Chewbaca, der nicht viel sagen muss, aber allein durch seine Bewegungen und sein Gebelle uns vermittelt, dass er eigentlich die liebenswerteste kindliche Kreatur in diesem Universum ist.
Han Solo & Chewbacca, deren Interaktion Bände spricht! (An der Stelle mein Lieblingswitz, der so subtil ist, dass es den meisten Kinobesuchern gar nicht aufgefallen ist: Als Chewie & Han die Basis verlassen und wieder nach draußen in Eis und Kälte wollen, benutzen sie einen Aufzug, in die Han zuvor seine Winterjacke geworfen hat. Die Helden stehen also im Aufzug, und die Tür schließt sich langsam, aber wir sehen noch wie Chewie fürsorglich die Jacke wieder aufhebt, sie ohne hinzuschauen und lässig Han entgegen streckt, der leicht irritiert und ungewollt genervt zu seinem haarigen Kumpanen hinaufschaut und die Jacke annimmt.)
Han Solo & Finn, deren Interaktion Bände spricht! ("Große Nummer! Frauen finden die Wahrheit immer heraus -  immer!")
Zu viel Humor?

Meine Meinung dazu: Fuck that.

Wie ich schon erwartet habe, ist der Film vor allem auf die Charaktere fokussiert: 
Finn, ein desertierter Stormtrooper und damit der Erste seiner Art, dessen Lebensweg und neue Karriere uns noch sichtlich interessieren wird. Ein wenig schwankt er zu sehr zwischen unendlichem Pathos und überraschend herzlichem Humor, der für einen von Kindheit an indoktrinierten Soldaten (ich erinnere, der kannte nur einen Namen: seine Kennnummer FN-2187) im schlimmsten dystopischen Stile von Brave New World doch etwas zu talentiert mit seiner Komik ist. Aber abgesehen von diesem I don't give a fuck auf Logik ist er als Charakter und mit seiner spezifischen Backstory mehr als eine Bereicherung.

Und Rey, oh Rey... - Padmé wird immer meine Liebe bleiben, aber Rey hat sich definitiv in mein Herz geschlichen. Während Nathalie Portman real auch eine Göttin ist, finde ich Daisy Ridley eher nur süß, ansonsten nicht sehr besonders. Egal, Männergespräche.
Fakt ist, dass sie eines der größten Heldinnen der Geschichte geworden ist, und noch mehr Großes wird von ihr erwartet in den kommenden zwei Filmen. Ihre kindliche Neugier und Naivität sind zum Dahinschmelzen, während ihre animalisch instinktive Überlebensfähigkeit so beeindruckend ist, dass nicht nur hoffentlich alle Frauen so werden wollen wie sie, sondern auch alle Männer begeistert sein dürfen von dieser Technik-, Flug-, Kampf- und Survival-Könnerin. Zu selten noch gibt es Frauen oder fiktive weibliche Charaktere, die vielen Männern als echte Inspiration und Vorbild dienen können. Rey wird das alles ändern. Umso besser, dass Reys Herkunft noch ein Geheimnis bleibt. Es gibt zwar genug Gründe, das zu glauben, was viele schon instinktiv fühlen (hey, ein STAR WARS-Film, der tatsächlich die Macht in uns agieren lässt), aber dennoch ist es sehr gut, dass wir bei dunklen Visionen und nebligen Erinnerungen verbleiben. Eines meiner Lieblingsmomente im Film ist, als sie ihre Jedi Mind Tricks erlernt hat und wie ein gefährliches Tier (von Kylo Ren richtig eingeschätzt) zum Überleben einzusetzen lernte.
Interessant ist noch darauf hinzuweisen: Luke Skywalker war ein Bauer (oder "Feucht-Farmer", was doch auch irgendwie nach einem Pussy-Eater klingt) mit dem Wunsch Pilot zu werden. Anakin ging es da schon viel schlechter: der war Sklave, aber zumindest mit einer liebenden Mutter. Rey dagegen ist komplett allein und vielleicht in der sozialen Stufe den Unberührbaren am nächsten: ein scavenger, was soviel heißt wie Plünderer, Aasfresser.
War euch Reys ausnahmsloses Talent in den STAR WARS-Skills zu übertrieben?

Dazu kann ich echt nur schreiben: Fuck that.

Kylo Ren, ein Bubi? Wie viele haben mir gesagt, dass Adam Drivers Gesicht, als er die Maske von Ren abgenommen hat, ihnen gar nicht passte. Ein wenig wie die Mischung aus Keanu Reeves und Gismo, dem Gremlin. Dass es den Film versaut hat. Oder dass er immer ausgerastet ist, was ihn im Grunde emotional schwach darstellte und nicht das, was man von einem epischen Antagonisten erwartet. Ich weiß nicht, ob die Fans nicht sich selbst erkannt haben und daher angeekelt waren. Kylo Ren ist, wie ich finde, der faszinierendste Bösewicht im Krieg der Sterne-Universum seit Darth Vader. Er IST der Fan, der komplett ausrastet, weil er nicht wie Darth Vader sein kann. Noch nicht. Denn Kylo Ren wurde konzipiert, um die Entwicklung eines Bösewichts parallel zur Entwicklung eines Helden darzustellen. Im Grunde war der Mord an seinem eigenen Vater eine absolute Strafttat, für die es kein Zurück mehr gibt (und aha, da haben wir sogar das Ödipus-Element von Anakin und Luke wieder über das ich schon mal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis geschrieben habe!). Wir hatten noch kurz das Gefühl, dass es Rettung für Kylo gibt, aber ebenso wie Anakins Abschlachten der kleinen Jedi-Kids, ist es nun zu spät. Diese Szene war das Aufwühlendste am ganzen Film und gab ihm die Extra-Note einer wahren Tragödie. Beim zweiten Kinobesuch wusste ich ja genau, was da kommen würde, als Han Solo die Brücke bestieg, und ich merkte, wie die Atmospähre knisterte - die anderen Kinobesucher spürten es instinktiv auch. Während am Himmel die Sonne langsam vollständig von der Starkiller-Base aufgesogen wurde, nahm das Licht ab, mein Atmen ging schwerer und schwerer, die helle Seite verlor, und in der Sonnenfinsternis sahen wir auf einmal das bedrohlich summende Rot. Ein Aufschrei und folgerichtiges Schluchzen neben mir von meinem Mädel drückte das aus, was bei allen Fans vor sich ging. Jetzt ist Kylo Ren wirklich gefährlich geworden, ein religiöser Fanatiker. Und ein uns geliebter Held ist tot, niederträchtig ermordet. In den Folgefilmen werden wir bei seinem Auftreten nichts anderes als Hass empfinden können.
Also allen, die etwas am Aussehen oder am Spiel dieses großartigen Schauspielers auszusetzen haben (seine deutsche Synchronstimme nehme ich da raus, die war echt bubig), erkläre ich hiermit:
Fuck that!
Und jetzt die Alten cha cha cha:

Luke Skywalker ist schnell abgearbeitet - ein Kostüm, ein durchdringender Blick, eine fast kaum merkbare dramatische Kopfbewegung nach oben. Luke Skywalker war ein McGuffin. Eigentlich kein realer Charakter im Film, aber wir alle haben auf den neuen alten Jedi Meister Luke Skywalker gewartet, also war er auch als eine Art Masturbationsbelohnung am Ende des Films fantastisch. Doch wir brauchen mehr für Episode VIII, das ist jetzt klar.
Leia ist vielleicht noch schneller und weniger positiv abgearbeitet - schön sie wieder zu sehen, aber sie besaß nur einen Gesichtsausdruck. Mehr nicht. Ob Schönheits-OP hin oder her, ein wenig traurig war es leider schon, dass sie nicht zu mehr fähig war. Und das war's mit ihr.
Han Solo, nun, im Grunde ist THE FORCE AWAKENS ein Film über ihn. Eigentlich hat er Poe Dameron seinen Platz noch nicht abgegeben, stattdessen diesen warm gehalten (mit seinem Blut). Goodbye, Han, wir werden dich sehr vermissen...


Dieser Film hat seine kleine Schwächen hier und da, aber was nicht heißt, dass es ein schlechter STAR WARS ist, ganz im Gegenteil. Für mich steht die Rangliste fest, ich erhebe


EPISODE VII: THE FORCE AWAKENS

zum
BESTEN FILM DER REIHE
 zusammen mit

EPISODE III: REVENGE OF THE SITH

und

EPISODE V: THE EMPIRE STRIKES BACK



Ihr respektiert diese Meinung nicht? 
Fuck that!

Es gibt Grund zur Annahme, dass sich allerdings noch einiges tun wird an dieser Rangliste. Denn gerade wird VIII gedreht, und nachdem ich den äußerst originellen Film LOOPER mit Joseph-Gordon Levitt und Bruce Willis gesehen habe, bin ich davon überzeugt, dass wir einem Mann vertrauen dürfen: dem Regisseur (und Drehbuchautoren) RIAN JOHNSON. Ihr fragt, warum? Nun, diese Frage habe ich mir in letzter Zeit häufig gestellt, und LOOPER hat nicht nur Kult-Charakter (!), sondern gibt so ziemlich das Gefühl her, dass Rian Johnsons Version von STAR WARS pretty fucking AWESOME wird.
Wer weiß, vielleicht sehen wir dann tatsächlich Hayden Christensen als Anakin Skywalkers Geist wieder - mit dem Twist, dass es eine schizophrene Entität ist, und sich Anakins Gesicht immer wieder in das der Darth Vader-Maske formt.

Keine Sorge, kein VIII-Spoiler, sondern unbenutztes Konzept für VII

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