"Greetings from Pyongyang!"

12. bis 13. Juli. Windhoek, Namibia.

Endlich setzte ich Fuß auf dem afrikanischen Kontinent. Wir landen in WINDHOEK (Sprich: Wundhuk), die namibische Hauptstadt. Umgeben von kleineren Bergen und Buschsavanne misst die Stadt etwa dieselbe Größe wie Lübeck - gut zweihunderttausend Menschen leben hier. Obwohl es einen zumindest offiziellen Abzug der Kolonalherren (den Deutschen) gab, fühle ich aber nicht einfach den Einfluss, sondern sogar - und das ist moralisch weit unangenehmer - irgendwo noch die Präsens der Kolonisten. Anders als in Asien, wo die Europäer praktisch verschwunden sind und bestenfalls einfach nur Spuren hinterlassen haben, ist von deutschen Produkten bis deutschen Siedlern alles zu finden. Der Spaß wird absurd, wenn man so einer ollen Oma, die man sich nur auf den Camping-Plätzen Norddeutschlands vorstellen kann, im Supermarkt irgendwo am Ende der Welt begegnet.  Einen Kulturschock empfinde ich nicht. Vielleicht wegen meiner Reiseerfahrung, oder durch den fehlenden Jetlag. Oder aber, weil hier vieles unangenehm deutsch ist. Wobei: wenn ich unangehm sage, meine ich nicht Nazi-Deutschland. Wichtiger Punkt.

Könnte ich ein WindhoeksuRRealist sein? Nicht wirklich. Denn das, was ein City Center sein soll, ist ohne Nachtleben, ohne viel Licht auf den Straßen. Vielleicht findet das Leben der Menschen woanders statt als im Center. Gut möglich, dass Schwarze und Weiße getrennt feiern. Im Reiseführer gilt unter den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Windhoeks eine kleine 100-jährige "Christuskirche". Das Langweiligste, was man sich vorstellen kann. Da ist jede alte katholische Kirche auf irgendeinem polnischen Dorf von größerer Bedeutung, Schönheit und Atmosphäre.
Im selben Blickwinkel steht das architektonische Kontrastprogramm dazu, ein riesiges goldenes Gebäude, imposanter Baustil, mit einer noch imposanteren Statue eines famosen Mannes, der ein Buch in der rechten Hand hoch hält. Was vom Weiten wie Mao Zedong oder Kim Jong Il anmutet, stellt sich als der Vater der Nation Dr. Sam Nujoma heraus. Die Unabhängigkeit gewann Namibia erst 1990. Treten wir näher an das Gebäude, erinnert mich die ganze Aufmachung immer mehr an etwas Bestimmten. Ich könnte es benennen, aber finde es zu absurd.
Ein kurzer Blick im Reiseführer:
"...bla bla bla...koreanischen Konzert erbaut... bla". 
Also die Koreaner haben es errichtet, ok, ich sehe diese futuristische, ostasiatische Epik. Es war das Unabhängigkeitsmuseum, und ihre Höhe suggerierte, dass wir weit oben einen Blick auf ganz Windhoek erhaschen können - mein erstes Ziel in jeder Großstadt.

Doch bevor wir oben ankommen, landen wir zuerst in den Ausstellungsräumen, und mit einem mal schlägt mir die Gewissheit in die Fresse: Guerilla, Panzer, Waffen, Gemälde von absolut drastischer Bildsprache, von Massakern, von Bombern, von sterbenen Farbigen mit fehlenden Gliedmaßen, alles auf morbide, revolutionäre Weise komponiert, wie es nur ein sozialistisches Volk bringen könnte. Mir ist somit schlagartig klar geworden, was hier Sache ist, und ein erneut prüfender Blick in meinen Reiseführer bestätigt meine Annahme:
"Das Unabhänigkeitsmuseum wurde von einem nordkoreanischen Konzert erbaut (...)."

Wo sich das "nord" in einer Zeile verrutscht hat, habe ich es natürlich komplett überlesen. Dies ist also die Wahrheit: WIR STEHEN INMITTEN EINES STÜCKS VON PYÖNGYANG! Es war nordkoreanische Revolutionskunst, ein Geschenk an die namibische Nation zur Unabhängigkeitserklärung. Die Bedeutung ist massiv, auch der PyongyangsuRRealist ist eine Sehnsucht von mir, und auf einmal stehe ich inmitten eines Exportguts dieser  seltsamsten aller Nationen, die einer Orwell'schen Hölle entsprungen ist.
So kann man auch noch das Besondere an einer unscheinbaren Stadt ausfindig machen, dass Surreale entlocken oder entdecken in gewissen Fugen, wo keiner es erwarten würde. Obwohl, hier ist es ja ganz präsent, vor den Nasen aller Menschen. Aber kein normalsterblicher Tourist würde hierher kommen, geschweige denn verstehen, was das Gebäude wirklich bedeutet. Und was seine Entdeckung wert ist. Hauptsehenswürdigkeit Nr. 1 in Windhoek.










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