Propaganda Poster Art Center


Da mich die Posterkunst sehr fasziniert, wie z.B. die Jugendstil-Poster Muchas oder die Psychedelia-Poster aus den 60ern und jetzt im 21. Jahrhundert, so war es für mich ein unbedingtes Muss, dieses recht alternative Museum zu besuchen und die Originalposter aus den 1950ern, 60ern und 70ern des kommunistischen Chinas unter Mao Zedong zu erblicken. Jarmo & Jarcka, ein junges Paar aus Holland mit indonesischen Wurzeln, haben mich zum Propaganda Poster Art Center in Shanghai begleitet, sodass ich auch sozial sehr meinen Spass hatte, weil wir eine interessierte und lustige Gruppe abgegeben haben.

Am Tag zuvor habe ich bereits versucht, alleine das PPAC zu finden, doch war das ein EPIC FAIL-Trip. Ich konnte vorher nicht das Internet nutzen, um die genaue Location des Museums auszumachen, und musste daher oldschool mit der Mappe arbeiten. Ich brauchte ca. eine Stunde, um überhaupt in die Nähe zu kommen, nachdem ich einmal längere Zeit die komplett falsche Richtung eingeschlagen habe. Doch das Museumsgebäude aufzufinden, war um weiten enttäuschender! Es hat geregnet an dem Tag und ich musste hin und her laufen, das theoretische Gebiet war bereits zwischen zwei Strassen eingegrenzt, aber da, wo es angeblich stehen sollte, waren nur: Wohnblocks (der gehobenen Schicht)... Wie gesagt, epic fail.

Doch wieder Zuhause angekommen warf ich einen Blick auf die Website des PPAC und musste feststellen, dass tatsächlich eines dieser Blocks im Basement das PPAC beinhaltet.
Und so war es kein Problem mehr, dorthin zu finden, als ich am nächsten Tag mit Jarmo & Jarcka loszog.


Das Propaganda Poster Art Center hat sich definitiv gelohnt, ich kann es wirklich jedem Shanghai-Touristen bestens empfehlen - nicht nur wer sich für Graphikkunst interessiert, sondern auch für die Geschichte Chinas seit 1949. Die Menge der Poster wurde in einem chronologischen Aufbau und Prinzip die Wände entlang aufgehängt, sodass der Besucher bestens geleitet wird und nicht gegenüber einer undefinierbaren Menge von Bildern zu entscheiden gezwungen ist.
Die Poster sind sehr spezifisch. Sie zeigen: Aufruf zur Unterstützung der anderen kommunistischen und kolonialisierten Länder gegen den US-Imperialismus, zum Klassenkampf und gegen die Rechten, zur Kulturrevolution, zur Freundschaft mit der Sowjetrepublik, zum Mao-Kult (dessen Poster in den 1970ern bereits wie Andy Warhole-Pop Art aussehen), gegen die Kulturrevolution (nach Maos Tod), für die Wissenschaft („Knowledge is power“); Amerikaner mit krummer Nase und einem hässlichen Aussehen wie Gollum oder die Orks aus Herr der Ringe, Hakenkreuze bei den Faschisten, dicke Bäuche mit Smoking und Hut als Sinnbild für die Kapitalisten, schwarz-rot-weiss gehaltene Abdrücke von kräftigen Rotgardisten, alle mit der Mao-Bibel in der Hand, glückliche Bauern, Proletarier, Kommunisten und Kinder, die Mao-Bibel in der Hand, Mao Zedong soweit das Auge reicht, oftmals als direkter Nachfolger von Marx, Lenin und Stalin, Raumschiffe und Weltraumstationen als Aufruf zur Wissenschaft, desweiteren Waffen, Revolution, Weltfrieden, Mao.
Insgesamt zeichnet sich die meiste Propaganda durch eine unheimliche Aggressivität und Gewaltdarstellung aus. Der Surrealismus findet sich hier tatsächlich in einer chinesischen Prägung wieder, wenn die Chinesen sich selbst Cartoon-artig wie kleine Kinder darstellen, welche die US-Monster mit all ihren Waffen, Fäusten und Maschinen attackieren und niedermachen. Kräftige und männliche Rotgardisten rufen zum Kampf auf und erheben ihre Fäuste zum Himmel oder gegen den Gegner, die minimalistische Farbgebung (schwarz/rot/weiss) und die expressionistischen Schriftzuege lassen einen den Zorn spüren. Alle halten sie die AK-47 oder eine andere Waffe.
Eine Besonderheit von aggressiver Darstellung, die trotz ihres Grauens eben auch eine unheimliche Schönheit besitzt, sind die Dazibao (Big Character Poster). Auf der Internetseite des PPAC heisst es dazu:

“Such posters were the most powerful artworks of the Cultural Revolution. Each one represents the fear, violence, paranoia and chaos of that era. It was a time in which students denounced teachers as reactionaries, either because the students actually believed those accusations or because they feared that any student who did not do so would be considered a rightist-sympathizer.”

Diese kalligraphischen Poster zeichnen sich durch die Zerstörung von anderen Texten aus, mit großen chinesischen Zeichen übermalt, die nahe an einer Form von dadaistischer Anti-Kunst grenzen. Damals wurde die Ästhetik nicht angestrebt, und auch der Besitzer und Gründer des PPAC warf ein, als Student zur Zeit der Kulturrevolution niemals diese Poster als Kunst betrachtet zu haben aufgrund ihres furchtsamen Inhalts. Ich verstehe zu gut die Faszination, die von diesen Werken ausgeht, auch wenn der geschichtliche Kontext zur distanzierten Betrachtung gegenüber dieser Posterform führt.

Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich die Idealisierung und Glorifizierung der Volksrepublik Chinas, des Volkes, der Proletarier-Klasse selbst und Mao Zedongs höchstpersönlich. Die Menschen lachen fröhlich, sehen guter Dinge in die Zukunft, zufrieden mit der Geburt des neuen Staates und der Revolution, im ewigen Frieden lebend und als Freunde akzeptiert von allen anderen Völkern der Erde.
So wie die heftigen Rot Gardisten-Bilder in mir ein Gefühl von Kampfeslust aktivieren konnten, so war ich auch definitiv anfällig für diese Glorifizierung und Darstellung von Technologie und riesigen Städten. Alles wirkt großartig, ein jeder ist Teil bei etwas Glorreichem; ich wollte in diese Welt eintauchen und sie erkunden und in ihr verweilen, so wie ich das Gefuehl bei vielen surrealistischen Gemälden habe.

Mir haben auch besonders die prä-kommunistischen Poster gefallen, die aus den 1930ern, in denen der Bund oder die Nanjing Road in ihrer damaligen Gestalt gezeigt wurden, oder die chinesischen Frauen in ihren Quipaos mit ihren erotische Kurven, die den männlichen Betrachter mit diesem spezifischen verführerischen Blick ebenso an sich ziehen...

Jarmo, Jarcka und ich waren wirklich begeistert und eilten zum Gift Shop. Die Preise lagen definitiv beim Europa-Standard, also fast alles unbezahlbar für uns junge Prä-Studenten, jedoch waren es auch größtenteils Originale, die man sich dort kaufen konnte. Letzten Endes haben wir Postkarten und Reproduktionen guter Qualität gekauft, wofür wir sogar noch vom Besitzer Prozente erhalten haben. Mein Kauf ist ein Rot Gardisten-Poster in schwarz-rot-weiss, das ich mir aufhängen werde, aber nicht aus ideologischen Gründen, sondern aus der Interesse an der Historie und dem Revolutionsgefühl, der in meinem surrealistischen Selbst aufkeimt.

Ich empfehle sehr, die Internetseite vom PPAC zu besuchen, die vieles davon preisgibt, was das Museum beinhaltet – http://www.shanghaipropagandaart.com/ .







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