M50


Das M50 ist ein Gebäudekomplex, in dem viele Galerien und Kunstaustellungen der aktuellen Kunstszene Shanghais und Chinas ausgestellt werden. Ich habe einen Tag dort verbracht und noch andere Einblicke bekommen, die mir nur durch meine chinesische große Schwester ermöglicht wurde – ich stelle vor: Shishi, oder auch ihren englischen Namen: Frida.

Shishi ist eine Kunstlehrerin an einer Senior Highschool, die einmal mit uns zu Abend gegessen hat, eingeladen von einem der XuBo-Mitarbeiter (XuBo ist die Organisation für die Volunteer-Plätze). Sie hatte keinen englischen Namen, daher habe ich ihr ausgeholfen, doch erst am nächsten Tag fiel mir der perfekte Name für eine chinesische Künstlerin ein. Ihr gefiel der Name Frida sehr, da sie auch von der besondere Persönlichkeit Frida Kahlos verzaubert ist, einer mexikanischen Malerin, die mit ihrem markanten Aussehen, ihrer starken und selbstbewussten Art und ihrer quasi-surrealistischen, sehr persönlichen Malerei eine tiefe Faszination in der Kunstwelt ausübte.
Shishi gefiel der Name sehr, als Revanche versprach sie mir bei der Suche eines perfekten chinesischen Namens für mich. Und der weitere Kontakt führte dazu, dass sie mit mir das M50 zeigte.




Die Kunstszene Shanghais ist speziell. Zwischen Trash und Genie, zwischen Hässlichkeit und pure Ästhetik, zwischen Pop-Art und Surrealismus ist alles vertreten. Das rote China ist wie eine nostalgische Note in vielen Pop-Art orientierten Bildern vorhanden: Mao, rote Armbinden oder einfach nur der Stern. Ganz besonders und irgendwie seltsam schön war das Bild eines jungen Paars von Rotgardisten, das Mädchen süß und schüchtern, der Junge stattlich aber ebenfalls schüchtern, beide halten sie Hand und drehen sich verlegen zur Seite weg, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
Auch Bruce Lee (sein chinesischer Name lautet: Li Xiaolong, dessen Vorname Xiaolong so viel heißt wie “Kleiner Drache”) war oftmals Motiv, und das erste Mal habe ich sogar ein Lady Gaga-Gemälde gefunden, tief dunkel gehalten mit einem roten Stern auf ihrem Hut.
Die surrealistischen Gemälde waren sehr interessant, aber ein Bild hat mir besonders gefallen, das ich nicht fotografieren konnte: ein in einem grünen Tuch wie in einer Zwangsjacke gehaltene menschliche Gestalt.



Frida/Shishi ist eine zwar eine Lehrerin, aber sie ist vor allem auch eine Künstlerin und besitzt ihr eigenes kleines Studio, wo sie arbeiten kann. Dies befindet sich in einem Shikumen, und die Möglichkeit, in ein Shikumen einzutreten, ist für mich etwas Besonderes.
Shikumen nennt sich ein Architekturstil bzw. eine gewisse Gebäudeform, die es nur in Shanghai gibt und die sich seit dem 19. Jahrhundert entwickelt hat. Eine Kombination aus West und Ost, ein Tor kennzeichnet den Beginn des Shikumen, in der Regel gibt es einen kleinen Hof in der Mitte und eine Menge von kleinen Wohnungen um dieses Hof herum, der von vielen Familien bewohnt wird. Fridas Wohnung hat zwei Zimmer, die Küche wird von allen Familien im Shikumen genutzt.



 
Wir haben Tee getrunken und uns viel unterhalten, über ihre künstlerische Arbeit, ihre Familie, die Erinnerungen ihrer Eltern von der Zeit der kulturellen Revolution, über die Regierung, über Musik und Literatur. Später zogen wir wieder los, damit ich alle nötigen Werkzeuge für Shufa (Kalligraphie, hier: chinesische Kalligraphie natürlich) einkaufen konnte, mit ihrer Hilfe natürlich, und am Ende des langen Tages tranken wir noch gemeinsam roten Tee in einem Café.

Frida ist eine intelligente und sensible Frau, und ihrem Geschmack kann ich nach diesem heutigen Tag definitive trauen. Daher bin ich glücklich zu verkünden, dass auch sie mir einen perfekten chinesischen Namen auffinden konnte.

Mein chinesischer Name lautet Xiaofeng.



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