Kurzgeschichte: Bad Romance

Lasst euch nicht von der Länge abschrecken, immerhin handelt es sich hier bewusst um eine Kurzgeschichte (oder ihr Rohzustand), die im unbewussten Schreibfluss so herausgeflutscht ist einer Fantasie folgend, die sich bei einem Nachtspaziergang spontan in meiner Gedankenwelt ordnen wollte:

Ich weiß nicht, was um mich geschieht. Das sage ich nicht zum Spaß, es ist wirklich so, etwas geschieht um mich und ich weiß nicht, was es ist. Ob ich es fangen kann wie die leuchtende Fliegen in einem Hiroshima-Traum? Verwirrende Poesie ist meine Stärke, der surréalistische Gebrauch von Sprache und sie, die ich zu einer neuen Ikone in der Ahnenreihe aufgerufen habe, ist über mich gekommen. Wörtlich. Ich spreche hier vom größten Bullshit, den ich je über meine Träume und Wünsche gespritzt habe. Wörtlich. Am Anfang war das Wort und am Ende wird alles zu Sex, gleiches auch mit der Musik und mit den Bildern. Ich strebe einem der seltsamsten Vereinigungen nach, die es in der Geschichte des Pops je gegeben hat, ein gepoppter Skandal quasi. Ich, ein unterbezahlter, weil zu verwirrender, armer Autor, deutschsprachig, lande in den Vereinigten Staaten, die Hochkultur unserer globalisierten Welt (ich kotze anerkennend, es gibt ja immer beide Seiten, das muss ich hervorheben: hervorgehoben) und werde in einer kleinen audition, wie die Amis es nennen, bekannt gemacht mit dem Schizovogel der neuen Rasse von Mensch. Ein Wort genügt, um gleich sexistisch zu wirken und die Braut des Wahnsinns verlässt das Zimmer, eines ihrer schwulen Komparsen mit auf dem Weg. Verdammt, dachte ich mir, damit habe ich im völligen Ausversehen der Situation selbst die homosexuellen Jungs verschreckt, die mich zuvor interessiert angestarrt haben, was ich definitiv als Kompliment annehme. Nun stecken wir im Dreck, wie mein Agent und ich uns telepathisch mitteilen. Warum wir diese Audition eigentlich wollten, ging wohl um Interesse aus der Sicht der Diva, die uns einlud, irgendein Projekt und meine Wenigkeit zu verschmelzen. Ich bin das Sperma, das ihre Eizelle befruchtet, wie sie selbst sagt, ach herrje, da werde ich rot. Was ich nicht weiß: dass sie wieder rausläuft, hat den einfachen Grund von Nervosität, das Mädel ist zu crazy drauf für diese Scheiße. Sie kommt wieder rein, ein klitzekleiner Moment, in der sie ihre Brüste wieder zurecht rückt, und in ihrem seltsamen Aufzug erinnert sie mich an die Pop-Surréalistin, für die ich sie immer gehalten habe, liebevoll gemeint. Ich mag nicht übertreiben, dass ich fasziniert von ihr bin, auch wenn ich nie gedacht hätte, dass selbst ein Ständer dabei rauskommen würde. Anfangs war mir ihre Musik lästig, dann fing ich an ihre Musik zu verstehen, dann fing ich an sich für ihre Persönlichkeit zu interessieren, Theorien aufzustellen mit meinen verkümmerten Philosophien, und mit einem Mal bin ich berühmt und stehe direkt vor ihr, die vorgibt, ein Fan zu sein. Erzählt man so Geschichten? Ich weiß es nicht, ich schreibe Anti-Romane. Wie pervers es mir auch vorkommen mag, aber in der Sekunde hatte ich einen feuchten Wachtraum mit ihr, wie sie da ihre Brüste zurecht rückt. Ein neu entdeckter Fetisch von mir etwa, Frauen in Doppler Effekt- und DNA-Kostümen? (Der war nicht komisch, ich weiß.) Fand ich sie jemals zuvor heiß, frage ich mich ohne Fragezeichen, nein, nimmer, doch jetzt geht der Ständer hoch wie Napoleons Karriere. Böse Gedanken, ich vertreibe sie angewidert, heute Nacht erlaube ich mir im Hotel eine kleine Erleichterung, der Un-Meister geschriebenen Abfalls poetischer Ausdrücke darf sich auch mal die ein oder andere Vorstellung mit der Hand räumen. Youporn gibt sowieso nichts mehr her, nur noch Schwänze da. Die Lady in Extrem-Abgefahren teilt mir das Projekt mit, ihre Lippen sind sinnlich. Ich schweife ab, sie will einen Film machen, etwas Neues in ihrer Karriere, was mich auch sogleich horchen lässt. Soll das eine Art Kanalisierung ihres Kubrick-Einflusses werden, frage ich sie. Allgemeine Verwirrung. Na, wie einem ihrer Songs, wo es darum geht, seinen Jesus und seinen Kubrick zu finden. Die Verwirrung ist größer, also sage ich den Titel und alle waren etwas angeheitert, da habe ich Englisch missverstanden. Eine peinliche Situation für mich, da habe ich mich Monate auf einer These gestützt, die letztlich gar keine Grundlage hat. Ich schlage ihr daher vor, nochmal den Song neu einzusingen und aus dem einen Wort tatsächlich Kubrick zu machen, oder ihre offiziellen Lyrics zu tauschen mit einer Pressemitteilung: Scheiße gebaut im Management. Alle finden das wohl witzig, wobei es mein halbvoller Ernst war. Das Projekt soll wohl eine Art Abgefahrene-Scheiße-Musical sein, halt passend zu ihrem Stil, und nicht nur, dass gerne Elemente von meinen Arbeiten darin enthalten sein sollen, von mir wird sogar abverlangt, das Script anzufertigen. Der einzige Film, der aus meiner Feder stammt, ist nicht mal berühmt, liegt irgendwo in einer gebrannten DVD und nennt sich 15-Punkte-Schulprojekt. Aber gut, ich bin höchst erfreut, muss ich zugeben, das sind gute und interessante Neuigkeiten.  Jetzt fehlt nur noch, dass mein armenischer Lieblingsbruder der Produzent ihrer Musik für diesen Film wird (darauf sollte ich verhandeln!) und dann wäre ich am Olymp meiner erektilen Wachträume. Ich sage ok, wie ein schüchterner, aber begeistert kleiner Junge, der ich im Herzen auch bin. Sie flirtet mit mir. Ist das jetzt zu sprunghaft, kein Wissen darüber als Anti-Literat, auf jeden Fall tut sie das schon eine ganze Weile, ist sie fasziniert von mir wie ich fasziniert bin von ihr, auf eine erotische Weise, die mich an meiner eigenen mentalen Gesundheit zweifeln lassen müsste? Ich gehe darauf ein, der Blickkontakt der Lust ist es, der den Raum explosiv rot färbt. Ich habe hier einen Superstar-Groupie, in einem Buch las ich einst, wie porno es mit Groupies ist. Dabei bin ich doch auch fast eine Art von Groupie, auch wenn ich mich dazu erst erwählt habe innerhalb der letzten einen Stunde, die wir dieses Meeting hier halten, davor hätte ich mich eher als Masturbator der Kunst bezeichnet (mag hoffentlich nicht von Jonathan Meese geklaut sein, sonst verbalisiert der mich noch zum Plagiaten), ihrer Kunst selbstverständlich. Wir gehen zur Feier des Tages, anscheinend ist jeder Tag Grund zum Feiern, carpe diem hedonistia, Essen und ich erlebe sie in Relativ-Privat. Sie ist kein sonderlich hübsches Mädchen, aber ihre Züge verraten mir das, was ich einst gelernt habe: jede bezaubernde Frau hat ihre eigene Besonderheit, auch wenn ich sie ein Mädchen nenne. Wir übernachten aber auch im selben Hotel, ein komischer Zufall, und so kommt es, dass wir uns am Abend nochmal persönlich sehen ohne die manchmal etwas lästig werdenden Glühwürmchen um uns herum. Sie trinkt einen Wein, ich meinen Ginger Ale und wir kommen ins Gespräch, über meine Arbeit, über ihre Arbeit, was sie von mir denkt, was ich von ihr halte, und tatsächlich dauert der erste Kuss keine 10 Sekunden, als schon die Kleidung uns auf wundersame Weise vom Leibe fällt und wir ein inniges Intimverhältnis zwischen zwei Erwachsenen haben. Aber in dem Moment bin ich wahrlich verliebt in sie, das darf ruhig länger anhalten. Und in ihren Augen sehe ich auch, wie sie brennt, ein feucht-brennendes Vergnügen und doch mit einer Leidenschaft zur Irrationalität – ist es Liebe? Zumindest ist es das, wie wir es wohl nach der zweiten und dritten Nacht doch noch auslegen und neben unseren geheimen Treffen weiter an unsere Freunde verteilen. Eine seltsame Beziehung, ich frage mich wie viele Jungen und Mädchen auf der Welt von solch einem skurrilen Sextraum mit ihr fantasieren und wie viele verkorkste Literaturliebhaberinnen mich noch angeln wollen, irgendwo da draußen, wo ich sie mir bisher immer nur erhofft habe, doch leider nie sehen konnte, wie den Weißen Hai oder ET. Ich springe in den Strudel der Pop-Surréalistin und werde mitgerissen in die Welt des abstrakten, impressionistisch-expressiven Glamours. Wir geben ein Paar des Wahnsinns ab, das hat Wahnwitz und wird wahntastisch in der Presse aufgenommen. Wahrscheinlich sind wir Magneten für bescheuerte Publicity. Kann man sich das vorstellen? Ich bin mit Lady Gaga zusammen.

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